Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - Medizinische Experten

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie geht auf die Psychoanalyse zurück. Sie ist vor allem für Menschen geeignet, die aufgrund von aktuellen Konflikten im Privat- oder Berufsleben eine psychische Erkrankung entwickelt haben. Auch Menschen mit strukturellen Störungen in der Beziehung zu anderen lassen sich damit behandeln. Ziel der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist es, die zugrundeliegenden Konflikte zu lösen. Der Therapeut hilft dem Patienten so, die psychische Erkrankung zu überwinden.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.

Artikelübersicht

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - Weitere Informationen

Hintergrund der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie leitet sich aus der Psychoanalyse ab, die auf Siegmund Freud (1856-1939) zurückgeht. Damit behandeln Therapeuten Patienten mit eingeschränkten Fähigkeiten im Umgang mit wichtigen anderen Menschen. Diese Patienten

  • haben aktuelle Konflikte,
  • leiden an strukturellen Störungen oder
  • neurotischen Erkrankungen.

Die Therapie ist nachweislich wirksam. Sie wird daher als sogenanntes Richtlinienverfahren in Deutschland von der Krankenkasse bezahlt.

Sigmund freud um 1905Siegmund Freud um 1905 © Ludwig Grillich | Public Domain auf Wikimedia

Ziel der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist,

  • die zugrundeliegenden Konflikte zu lösen,
  • die Struktur zu verbessern und
  • damit dem Patienten zu helfen, seine Störung zu überwinden.

Vorgehen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

Vor der eigentlichen Therapie erfolgen zunächst Vorgespräche zwischen Patient und Therapeut. Der Therapeut versucht dabei herauszufinden, welche psychische Erkrankung vorliegt und wie sie zustande gekommen ist. Eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist möglich, wenn der Therapeut dabei behandelbare Konflikte identifiziert.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie konzentriert sich immer auf die Gegenwart. Biographische Aspekte sind nur wichtig, wenn sie helfen können, die Probleme der Gegenwart besser zu verstehen. Man arbeitet in der Regel mit einer Sitzung pro Woche. Sie findet im Sitzen statt.

Die Aufgabe des Patienten während der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist die freie Assoziation. Er erzählt dabei möglichst ungefiltert, was ihm gerade einfällt. Er sollte sich keine Gedanken darüber machen, ob das wichtig oder unwichtig ist.

Die Aufgabe des Therapeuten ist dabei, das Erzählte zu filtern. Er versucht so herauszufinden, was für das Verständnis und die Therapie des aktuellen Problems hilfreich ist. Der Therapeut muss sich dabei in die Lage des Patienten versetzen. Dementsprechend muss er dessen Probleme und Lebensrealität umfassend verstehen.

Konfliktzentrierte Vorgehensweise: Klärung, Konfrontation und Deutung

Bei einer konfliktzentrierten Vorgehensweise arbeitet der Therapeut bevorzugt mit den Techniken der Klärung, Konfrontation und Deutung.

Klärung:

Der Therapeut muss sich in das Erleben des Patienten einfühlen. Dazu stellt er ggf. Nachfragen zur Klärung. Das können Fragen sein wie z. B.

  • „Können Sie mir das noch genauer erklären?“,
  • „Wie ging es Ihnen dabei?“, oder
  • „Habe ich es richtig verstanden, dass…?“.

Nur, wenn der Therapeut genau versteht, was den Patienten beschäftigt und warum, kann die Therapie Erfolg haben.

Konfrontation:

Der Therapeut macht den Patienten auf bedeutsame Auffälligkeiten aufmerksam. Häufig sind dies Widersprüchlichkeiten, wie z. B. dass der Patient

  • traurige Dinge mit einem Lächeln erzählt, oder
  • erzählt, was für ein guter Mensch seine Partnerin ist und gleichzeitig erwähnt, wie schlecht sie ihn behandelt.

Diese Widersprüchlichkeiten sind dem Patienten in der Regel so nicht bewusst. Sie sind insofern wichtig, weil sie auf bedeutsame innere Konfliktthemen hinweisen können.

Deutung:

Wenn der Therapeut glaubt, er habe die Konfliktursache verstanden, teilt er ihm das mit. Diese Mitteilung nennt man Deutung. Ein Beispiel: „Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen nicht möglich ist, zu sehen, wie schlecht Ihre Partnerin mit Ihnen umgeht, weil dann womöglich die Frage der Trennung im Raum stünde und Ihnen dieser Gedanke Angst macht.“

Häufig verursachen unbewusste Wünsche, Gefühle und Konflikte die Probleme des Patienten.

Übertragung und Gegenübertragung

Eine besondere Rolle spielt dabei auch die Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung. Übertragung bedeutet, dass der Patient seine Überzeugungen im Umgang mit anderen auch beim Therapeuten anwendet. Wenn er z. B. im Leben oft das Gefühl hat,

  • von anderen kein Gehör und genügend Beachtung zu finden, oder
  • nur etwas wert zu sein, wenn man sich besonders bemüht, oder
  • immer an allem schuld zu sein, usw.,

passiert es in der Regel, dass er auch den Therapeuten in Anteilen so erlebt.

Das ist nicht verwunderlich, da die Übertragung ein Prozess ist, der sich überall im Leben ereignet. Oft empfinden wir Menschen aus der näheren Umgebung in einigen Aspekten so, wie früher schon den Vater, die Mutter, die Oma, etc.

Der Therapeut erkennt diese Übertragung aus seinen Beobachtungen des Patienten. Bei einer Übertragung lassen sich dessen Gefühle oder Verhalten nicht aus der aktuellen Situation heraus erklären.

Gleichzeitig hilft dem Therapeuten die Gegenübertragung. Das sind die Gefühle und Wahrnehmungen des Therapeuten. Auch ein Therapeut ist nicht objektiv. Die Erzählungen und Konflikte seiner Patienten können Emotionen beim Therapeuten auslösen. Er erkennt die Gegenübertragung daran, dass seine Emotionen nichts mit seinem momentanen eigenen Leben zu tun haben. Es ist daher wahrscheinlich, dass der Patient sie in ihm auslöst.

Eine solche problematische Beziehungskonstellation in der therapeutischen Beziehung ist sehr wertvoll. Therapeut und Patient können diese Konstellation so besonders gut verstehen und bearbeiten.

Der Therapeut stellt dem Patienten dann sein Erleben und sein Verständnis Stück für Stück zur Verfügung. So kann der Patient etwas über sich verstehen, was er bisher so nicht wusste. Das Sehen und Verstehen von eigenen unbewussten Anteilen oder Konflikten ist der erste Schritt zur Veränderung.

Strukturzentrierte Vorgehensweise bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

Bei einer strukturzentrierten Vorgehensweise steht im Vordergrund, dass der Therapeut dem Patienten hilft,

  • intensive Gefühle besser tolerieren zu können,
  • potentiell schädigende Verhaltensimpulse besser steuern zu können,
  • die Wahrnehmung und Differenzierung der eigenen Gefühle und Bedürfnisse und der der anderen zu verbessern.

Um dies zu erreichen, wendet der Therapeut Interventionen an, die stabilisierend wirken. Dazu versucht er die sogenannten „ICH-Funktionen“ aufzubauen. Er versucht auch, den oben genannten Übertragungsprozess eher zu begrenzen.

Stabilisierende Interventionen

Stabilisierende Interventionen sind z. B. das Erlernen von Techniken und Entspannungsübungen zur besseren Gefühlskontrolle. So kann der Patient lernen, unangenehme Gefühle besser auszuhalten.

Auch das Strukturieren von innerem Chaos und Unterstützung beim Erstellen z. B. eines Tagesplans ist stabilisierend.

Aufbauen der ICH-Funktionen

Das Aufbauen der ICH-Funktionen erreicht der Therapeut, indem er dem Patienten hilft, sich selbst besser zu verstehen. Er weist ihn z. B. darauf hin,

  • warum er gerade so wütend ist,
  • welche Situation das ausgelöst hat und
  • wie er mit der Wut umgehen kann.

Auch, wie er solche Situationen in Zukunft vermeiden oder verändern kann, ist für den Patienten wichtig. Häufig verstehen Patienten die Reaktionen der Umwelt auf sie nicht. Der Therapeut muss dem Patienten bewusst machen,

  • wie er sich verhält und dadurch auf andere wirkt, und
  • was dies bei anderen auslöst.

Oftmals differenzieren Patienten ihre Gefühle nicht, sondern nehmen sie z. B. nur als Spannung wahr. Der Therapeut hilft ihm dabei, die zugehörigen Gefühle zu identifizieren. So kann sich der Patient besser selbst verstehen und lernen, sich einzuschätzen.

Begrenzung der Übertragungsprozesse

Unter Umständen kann der Patient unrealistische Phantasien über den Therapeuten und dessen Beziehung ihm gegenüber entwickeln. Eine solche Projizierung bzw. Übertragung muss der Therapeut verhindern. Das ist wichtig, weil bei strukturellen Störungen solche Phantasien oft angstauslösend sind und die Therapie gefährden können.

Hat der Therapeut den Eindruck, dass der Patient ihn verzerrt wahrnimmt oder etwas falsch interpretiert, spricht er das an.

Für wen ist die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie geeignet?

Menschen mit aktuellen Konflikten

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie behandelt Menschen mit psychischer Erkrankung, die sich durch aktuelle Konflikte entwickelt haben.

Solche Konflikte können durch verschiedene Dinge ausgelöst werden. So kann z. B.

  • ein einschneidendes Lebensereignis, wie eine Partnerschaftstrennung,
  • der Tod eines nahen Angehörigen oder
  • eine unerwünschte Versetzung am Arbeitsplatz

dazu führen, dass innere Konfliktthemen, mit denen man bislang gut zurechtkam, wiederbelebt werden. Solche Konfliktthemen können sein, dass man sich über die Maßen

  • im Stich gelassen,
  • unzureichend,
  • wertlos oder
  • alleine

fühlt. Diese Gefühle können zu starken Ängsten, Depressionen oder anderen psychischen Symptomen führen. Andere häufige Auslöser sind schwere körperliche Krankheiten oder aktuelle traumatische Ereignisse.

Menschen mit strukturellen Störungen

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie kann auch Menschen mit strukturellen Störungen helfen. Darunter versteht man spezifische Probleme, die vor allem in der Beziehung zu anderen auftreten. Dazu gehören etwa Schwierigkeiten in

  • der Regulation der Gefühle,
  • der Selbstwahrnehmung,
  • der Wahrnehmung wichtiger anderer,
  • der Bindung und
  • der Kommunikation.

Diese Fähigkeiten bilden sich vor allem in den ersten Lebensjahren im Kontakt mit wichtigen Bezugspersonen aus. Der Mensch differenziert sie im Laufe des Lebens weiter und passt sie an.

Wenn es in dieser frühen Phase der Entwicklung zu Störungen kommt, können sich diese Fähigkeiten nur unzureichend ausbilden. Die Probleme zeigen sich dann vor allem in der Beziehung zu anderen Menschen.

Solche zwischenmenschlichen Probleme können wiederum so belastend sein, dass psychische Erkrankungen entstehen.

Menschen mit neurotischen Erkrankungen

Aktuelle Konflikte oder strukturelle Störungen können psychische Erkrankungen auf neurotischem Niveau verursachen. Ist das der Fall, können sie mit der tiefenpsychologisch fundierten Therapie behandelt werden. Besonders gute Erfahrungen liegen bei

vor.

Menschen mit Traumafolgestörungen oder psychotischen Erkrankungen

Bei Traumafolgestörungen muss der tiefenpsychologisch arbeitende Therapeut zusätzlich in Traumatherapietechniken geschult sein. Die Behandlung passt er entsprechend an.

Ebenso verhält es sich mit psychotischen Erkrankungen. Diese müssen in der akuten Phase psychiatrisch-medikamentös behandelt werden. Nach Abklingen der akuten Phase kann eine modifizierte tiefenpsychologische fundierte Psychotherapie hilfreich sein.

Bezahlung der Therapie und Suche eines Therapeuten

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist nachweislich wirksam. Die Kosten werden daher von der Krankenkasse übernommen. Hierzu muss der Therapeut einen Therapieantrag an die Krankenkasse stellen.

Ein medizinischer Gutachter der Krankenkasse beurteilt dann, ob die Therapie aus medizinischer Sicht notwendig ist. Er beurteilt auch, ob sie voraussichtlich zum Erfolg führen wird. Wenn er dies bejaht, wird er der Krankenkasse empfehlen, die Therapiekosten zu übernehmen. Die Kassen richten sich nach dieser Empfehlung.

Bevor der Therapeut einen solchen Antrag schreibt, muss er den Patienten kennen lernen. Hierzu stehen maximal fünf „probatorische Sitzungen“ zur Verfügung. In diesen Sitzungen prüft der Therapeut, ob er mit seiner Therapiemethode dem Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit helfen kann. Auch der Patient sollte prüfen, ob er sich eine vertrauensvolle Arbeit mit diesem Therapeuten vorstellen kann.

Eine Psychotherapie ist eine sehr persönliche Therapieform. Daher ist es sowohl für den Patienten als auch für den Therapeuten wichtig, dass „die Chemie“ stimmt.

Patienten können verschiedene Therapeuten kennen lernen. Die Krankenkasse bezahlt ohne Antrag bis zu fünf probatorische Sitzungen.

Die Krankenkasse übernimmt maximal 80 Stunden. Die probatorischen Sitzungen sind davon ausgenommen. In der Regel wird zunächst entweder eine Kurzzeittherapie über 25 Stunden oder eine Therapie über 50 Stunden beantragt. Eine Verlängerung auf 80 Stunden ist möglich.

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